BGH, Urteil vom 20.09.2018, Aktenzeichen I ZR 146/17.
Der Bundesgerichtshof hielt in seiner Entscheidung fest, dass eine Schwundklausel (hier: keine Haftung bei einem jährlichen Schwund von 0,4% des Warenwerts) auszulegen sei: wegen § 276 Abs. 3 BGB, einer zwingenden gesetzlichen Regelung, nach der dem Schuldner die Haftung für Vorsatz nicht im Voraus erlassen werden kann, ist eine Schwundklausel bei unklarem Wortlaut dahingehend auszulegen, dass sie keine Fälle vorsätzlichen Verhaltens erfasst. Der BGH hält zudem fest, dass eine von ihrem Wortlaut her unklare, weil auch auf vorsätzliches Verhalten beziehbare Schwundklausel nicht etwa unwirksam und nichtig ist, sondern wie zuvor beschrieben durch Auslegung auf Fälle nicht vorsätzlichen Handelns zu reduzieren ist, da nicht angenommen werden könne, die Parteien hätten eine gegen die zwingende gesetzliche Regelung treffende Vereinbarung treffen wollen.
Die BGH-Entscheidung hat zur Folge, dass eine Schwundklausel dem Lagerhalter dann keinen Schutz gewährt, wenn ihm vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden kann. Hierbei kommt der Grundsatz der sekundären Darlegungslast zum Tragen: grundsätzlich muss derjenige, der den Schaden behauptet, hierfür die Voraussetzungen beweisen. Da indes die Vorgänge bei einem Transport bzw. innerhalb des Betriebs für den Beweispflichtigen kaum zugänglich sind, trifft ihn die Pflicht, die organisatorischen Massnahmen zum Schutz der Ware offenzulegen. Hat er in ausreichendem Masse nachgewiesen, dass der Betrieb über hinlängliche Sicherungsmassnahmen verfügt, trifft den Geschädigten die volle Beweislast für das vorsätzliche Handeln des Lagerhalters.
Für die Praxis bedeutet die Entscheidung:
Lagerhalter müssen damit rechnen, dass Kunden die Schwundklausel durch den Vortrag, es sei vorsätzlich gehandelt worden, etwa durch Unterlassen erforderlicher Sicherungsmassnahmen, auszuhebeln versuchen;
in diesem Fall muss der Lagerhalter ggf. auch für weit zurückreichende Zeiträume eine sichere Organisation seines Lagers nachweisen können – es kommen also erhebliche Dokumentationspflichten, die er in eigenem Interesse peinlich genau beachten sollte, auf ihn zu.
Da in der Entscheidung von „Konsignationslager“ gesprochen wird, sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass solche Lager oftmals von dem künftigen Käufer unterhalten werden, der die Ware des Verkäufers einlagert. Bis zur Entnahme aus dem Lager bleibt die Ware Eigentum des Verkäufers. In solchen Fallgestaltungen wird das Lagern gerne als blosser Annex des Kaufes angesehen; Vertragsschwerpunkt bilden die kaufvertraglichen Regelungen. Dennoch muss den Parteien bewusst sein, dass es sich um einen typengemischten Vertrag handelt und deswegen, soweit die Lagerung der Waren betroffen ist, Lagerrecht zur Anwendung kommt.
Thorsten Vogl, Rechtsassessor
Die Entscheidung ist im Volltext aufrufbar über die Entscheidungsdatenbank des deutschen Bundesgerichtshof www.bundesgerichtshof.de / Entscheidungen)
Comments