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Pflicht zur Schadensermittlung

Aktualisiert: 11. Jan. 2023


Teure Vernachlässigung der Pflicht zur Schadensermittlung

Besprechung zu OLG München, Endurteil v. 23.11.2017 – 23 U 1858/17 Internet-Fundstelle: http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2017-N-133756?hl=true


Im Transportgewerbe geht vieles schnell. Darunter leidet oft der richtige Umgang mit Schäden. Welche schmerzhaften Folgen dies haben kann, musste erst jüngst wieder ein Unternehmen erfahren, das Türsteuergeräte transportieren liess. Bei dem Transport kam es zu einem Unfall; unstreitig wurden 504 Geräte und ein Teil der Verpackung äusserlich beschädigt. Der Kläger machte einen wirtschaftlichen Totalschaden geltend – eine Beschädigung auch der anderen Türsteuergeräte liesse sich nicht ausschliessen, es sei denn man nehme alle Teile auseinander, was dazu führe, dass die Schadensermittlungskosten den Warenwert übersteigen.


Das OLG München wies die Klage ab, da das Vorliegen eines wirtschaftlichen Totalschadens von dem Kläger nicht bewiesen worden war. Das Auseinandernehmen der Ware sah es auf der Basis eines Sachverständigengutachtens für nicht erforderlich an, sodass davon auszugehen sei, dass sich die Kosten für die Ausräumung des Schadensverdachts auf 100.388,97 Euro belaufen. Angesichts eines Warenwerts von 341.131,00 Euro hätte die Klägerin deswegen diese Untersuchungen veranlassen müssen, denn nur, wenn die voraussichtlichen Untersuchungskosten den Verkehrswert der betroffenen Sache übersteigen, könne ein wirtschaftlicher Totalschaden auch ohne festgestellte Substanzverletzung allein aufgrund des begründeten Schadensverdachts in Betracht kommen (so der BGH, Urteil vom 11. Juli 2002 – I ZR 36/00 –, Rn. 15; Internet-Fundstelle: https://openjur.de/u/63323.html). Nicht relevant sei eine Haftungsbegrenzung; es komme allein auf den Verkehrswert des Transportguts an, nicht aber darauf, ob die Schadensermittlungskosten einen für den Vertrag geltenden Haftungshöchstbetrag übersteigen.


Da also der Kläger es unterlassen hatte, die gesamte Ware auf das Vorliegen eines Totalschadens zu untersuchen, obwohl er hierzu verpflichtet war, konnte er den ihm obliegenden Beweis nicht führen und erhielt nur eine Entschädigung für die unstreitig beschädigten Geräte.

Es lohnt sich daher, bei einem Schaden sehr genau die Frage der Untersuchungspflichten zu klären.


In einem Punkt folgt das OLG München allzu sklavisch dem Urteil des Bundesgerichtshofs. Mit einem einzigen Satz wird abgetan, dass die jeweils anwendbaren Haftungshöchstgrenzen bei der Frage, ob auf ein Gutachten verzichtbar ist, unbeachtlich seien; dies sei laut BGH nur der Fall, wenn die Schadensermittlungskosten den Verkehrswert der Sache übersteigen. Dabei hatte der BGH seinerzeit gar keine Veranlassung, sich mit Haftungsgrenzen zu befassen: in dem von ihm entschiedenen Fall machte der Frachtführer gegen seine Auftraggeberin Haftungsansprüche geltend, da ein dieser zuzurechnender Beladefehler mutmasslich zu nur durch aufwändige, den Wert des LKWs übersteigende Untersuchungen zu verifizierende Schäden an dem Transport-LKW geführt hatte, ein Fall, der keinerlei gesetzlichen Haftungsgrenzen unterliegt.


Die BGH-Rechtsprechung kann deswegen nicht übertragen werden. Es macht wenig Sinn, dem Geschädigten ein teures Gutachten aufzubürden, wenn dessen Kosten die höchstmögliche Ersatzsumme deutlich übersteigen, zumal dann, wenn er die Schadensfeststellungskosten, wie im Rahmen der CMR, grundsätzlich nicht auf die Gegenseite überbürden kann (s. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohm, HGB, Art. 25 25 CMR Rn. 5) oder die Überbürdung gemeinsam mit dem zu zahlenden Wertersatz Gegenstand der in § 431 HGB geregelten summenmässigen Haftungsbegrenzung auf 8,33 Sonderziehungsrechte je kg Fracht ist (s. MünchKomm-HGB/Herber, § 430 Rn. 9). Aber auch sofern eine Überbürdung der Schadensermittlungskosten möglich wäre, muss beachtet werden, dass über diese Hintertüre nicht bestehende Haftungsgrenzen faktisch entwertet werden dürfen. Anders als das OLG meint, sind Haftungslimiten mithin durchaus zu beachten, wenn die Frage beantwortet wird, in welchem Umfang das Entstehen von Schadensermittlungskosten zumutbar ist.

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