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Checkliste internationale Verträge

Aktualisiert: 9. Feb. 2023


Checkliste für die Gestaltung internationaler Verträge



Die – etwas andere – Checkliste für die Gestaltung internationaler Verträge

1) Informieren Sie sich so gut wie möglich über Ihren Geschäftspartner: Ruf, Bonität …


2) Verträge sind VERHANDLUNGSSACHE – unter Freunden verhandelt es sich besser und man geht leichter aufeinander zu. Kommen Sie sympathisch an und informieren Sie sich über übliches Verhalten im anderen Staat.


3) Jetzt geht’s ans „Eingemachte“: Verhandeln Sie Ihren Vertrag. Bei sehr bedeutenden Verträgen, bei denen es um sehr viel Geld geht, ist es ratsam, diese durch einen spezialisierten (!) Anwalt oder Notar aufsetzen zu lassen. Bei kleineren Verträgen ist das schlicht zu teuer. Hier bietet sich die Verwendung von MUSTERVERTRÄGEN an.


Dabei beachten:

  • es gibt nicht DEN Mustervertrag. Aber es gibt Musterverträge für alle möglichen Arten von Verträgen: Kauf, Warenlieferung, Produktion … Verwenden Sie ein für Ihr jeweiliges Geschäft passendes Muster! Und suchen Sie bisweilen nach aktualisierten Versionen!

Ihre Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer oder auch berufsständige Vereinigungen können Sie – zumeist gratis – beraten und Ihnen Vertragsmuster empfehlen. Sehr gute Vorlagen nebst Erläuterungen – und noch dazu gratis! – finden sich auf der Internet-Seite des International Trade Center (Genf): https://www.intracen.org/itc/exporters/model-contracts (leider nicht in deutscher Sprache).

  • Der Mustervertrag muss individualisiert werden: ein Vertragsmuster ist eine allgemeine Vorgabe – aber Ihr Geschäft ist einzigartig. Deswegen: verwenden Sie größte Mühe darauf, das Muster auf Ihren Fall anzupassen.

Jede Klauselvorgabe hat ihren Sinn! Prüfen Sie deswegen bei jedem im Mustervertrag erwähnten Punkt, inwieweit er für Ihren Vertrag von Bedeutung ist und wie die dortige Regelung auf Ihr Vertragsverhältnis angepasst werden muss.


Ist Ihnen die Bedeutung einer Klausel nicht klar oder wissen Sie nicht, wie man den Punkt vernünftig regeln kann – fragen Sie bei Ihrer Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, berufsständigen Vereinigung. Sie zahlen dort Beiträge – also lassen Sie die Leute für Ihr Geld auch arbeiten. Zumeist bekommen Sie dort Ratschläge gratis (anders als bei Anwälten und Notaren!).


Dieser Aufwand muss sein – aus Unwissenheit nicht ausgefüllte Klauseln rächen sich oftmals sehr! Beispiel: Sie stehen auf einmal im tiefsten Schwarzafrika vor Gericht (allerdings kann man auch dort exzellente Richter finden – etwa den Gemeinsamen Obersten Gerichtshof der OHADA) oder sehen sich einem US-amerikanischen Verfahren mit der Gefahr von punitive damages ausgesetzt oder Ihr Gegner zündet einen „italienischen Torpedo“ – der ist seeeehr langsam! Bis zur Entscheidung eines italienischen Gerichts können viele Jahre vergehen!


  • Wird in der Praxis gerne übersehen: achten Sie auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen: wenn Sie und Ihr Vertragspartner jeweils ihre eigenen Bedingungen in den Vertrag einbeziehen und diese gegenläufige Klauseln enthalten, heben diese sich auf; Sie müssen dann genau das tun, was Sie vermeiden wollen: etwa Recht und Gerichtsstand auf der Basis nationaler Kollisionsrechtsnormen bestimmen! Also: nie das „Kleingedruckte“ unterschätzen und vor wechselseitiger Vereinbarung seiner Geltung auf sich widersprechende Klauseln „abklopfen“ und diese Fälle speziell vertraglich regeln. Und bedenken Sie, dass international verschiedene Anforderungen bestehen, um AGB in einen Vertrag einzubeziehen. So genügt beispielsweise in Frankreich ein bloßer Hinweis in den Geschäftspapieren nicht; es bedarf der tatsächlichen Übermittlung an den Vertragspartner.

Ganz wichtig: beschreiben Sie die vertraglichen Pflichten so genau wie möglich! Wer schuldet welche Leistung? Beschreiben Sie etwa Kaufgegenstände, dienst- oder werkvertragliche Leistungen etc. möglichst detailliert, ebenso Lieferpflichten, Fristen etc. Regeln Sie die Zahlungspflichten des anderen Teils: Vorauskasse, Ratenzahlung …


  • Vertragsstörungen: Bei diesem Punkt sollten Sie zur Spitzengarde der Hellseher gehören. Orientieren Sie sich an Murphys Gesetz: „Was schief gehen kann, geht schief“. Sehen Sie voraus, was schief gehen kann und regeln Sie diese Fälle. Hätten Sie daran gedacht, dass ein kleines Virus die weltweiten Lieferketten zusammenbrechen lässt? Dass die Ever Given den Suez-Kanal blockiert, Sie keine Bauteile mehr erhalten oder Ihre Lieferverpflichtungen nur mit erheblicher Verspätung erfüllen können? Dass die Transportpreise „durch die Decke gehen“?

Verlassen Sie sich nicht auf gesetzliche Regelungen zur höheren Gewalt. Diese greifen meist nur als letzter „Notanker“ und verlangen Ihnen teilweise große „Opfer“ ab – mit der Folge, dass Ihr Vertragspartner von Ihnen möglicherweise die Ersatzbeschaffung von Teilen zu deutlich höheren Preisen oder die Nutzung eines deutlich teureren Transportmittels (Flugzeug statt Schiff) verlangen kann. Diese Ihre Kalkulation sicherlich über den Haufen werfenden Kosten können Sie bei fehlender Regelung ggf. nicht auf Ihren Vertragspartner überbürden! Haben Sie das Problem indes in Ihrem Vertrag geregelt, gilt die Vertragsklausel!


Aus den genannten Gründen sollten möglichst viele Einzelprobleme, die in Ihrem konkreten Vertragsverhältnis auftreten können (das müssen Sie, wie erwähnt, vorhersehen können!) geregelt werden: Lieferschwierigkeiten, Schwierigkeiten bei der Produktion, beim Transport. Wann können Sie erhöhte Kosten überbürden? Wie geht man mit Verzug um? Werden Vertragsstrafen geschuldet? Wann ist ein Rücktritt vom Vertrag möglich? Und vieles mehr! Orientieren Sie sich an der – erläuterten – Musterklausel zur Höheren Gewalt der Internationalen Handelskammer: https://cms.iccwbo.org/content/uploads/sites/3/2020/09/icc-force-majeure-hardship-clauses-march-2020-german.pdf - aber bedenken Sie auch in diesem Fall, dass Ihr Vertrag ein Individuum ist, dessen spezifische Situation möglicherweise anderslautende Regelungen erfordert. Auch hier gilt: nutzen Sie Ihre Beitragszahlungen an eine Industrie- und Handelskammer etc. hemmungslos aus: dort kann man Sie beraten und hält weitere Merkblätter und Formulierungshilfen vor!


Eigentlich ein Gebot der Höflichkeit und eine Selbstverständlichkeit: bei Problemen den Vertragspartner UNVERZÜGLICH informieren. Er muss sich schließlich auf die Situation einstellen können. Und vielleicht kann man so Streit vermeiden und rechtzeitig eine Lösung finden. Erstaunlich oft wird das aber vergessen – und führt dann zu begründeten Schadenersatz-Verlangen des Vertragspartners. Informationspflichten werden auch gerne vertraglich geregelt.

  • Wenn Vorauskasse nicht in Betracht kommt, denken Sie daran, Ihren Zahlungsanspruch (Kaufpreis, Werklohn…) abzusichern: Bankbürgschaften, Bankgarantien, Akkreditive, harte Patronatserklärungen des Mutterkonzerns, echte Forfaitierung, Eigentumsvorbehalt... Bei letzterem klären Sie aber bitte ab, wie die Rechtslage in dem Staat Ihres Vertragspartners ist. Viele Länder, wie die Schweiz, verlangen eine Registrierung in einem öffentlichen Register. Erfolgt diese nicht, ist Ihr Eigentumsvorbehalt etwa in der Schweiz im Konkursfalle oder bei Weiterveräußerung der gelieferten Ware an Dritte unbeachtlich. Verlängerungs- und Erweiterungsformen sind in vielen Staaten (etwa Frankreich, Italien, Schweiz) nicht anerkannt. Ebenso wird vielfach eine in AGB enthaltenen Eigentumsvorbehaltsklausel nicht akzeptiert oder es wird, beispielsweise in Italien, eine öffentliche Beurkundung verlangt. In den USA kennt man den Eigentumsvorbehalt gar nicht, sondern nur die registrierungspflichtige Sicherheitsbeteiligung („security interest“) … Informieren Sie sich vor Vertragsschluss!

  • Und manchmal kommt es leider zum Streit – dann sollte dies geregelt sein. Gerade bei internationalen Fällen wichtig sind Klauseln zur Wahl des Gerichtsstands und des anwendbaren Rechts. Dabei sollte Gleichlauf herrschen (Gerichtsstand: Schweiz – anwendbares Recht: das der Schweiz): wenn Gerichte eines Staates das Recht eines anderen Staates anwenden müssen, muss sich der Richter auf unbekanntes Terrain begeben. Die Sache kann dann schnell aus dem Ruder laufen und wenig erfreuliche Wendungen nehmen. Oder der Richter lässt sehr teure Gutachten erstellen, die die Kosten des Rechtsstreits in absurde Höhen treiben können. Anders bei Schiedsgerichten: dort werden für den konkreten Fall besonders qualifizierte Richter jeweils für den Einzelfall bestellt. Eine Schiedsinstitution in der Schweiz oder in Deutschland kann also durchaus etwa italienische Juristen als Schiedsrichter berufen, die den Streit dann auf der Basis des italienischen Rechts entscheiden.

Auch hier gilt: alles ist VERHANDLUNGSSACHE: wenn Sie deutsches Recht und deutsche Gerichte wollen und Ihr Vertragspartner dies ablehnt und lieber seine Gerichts und sein Recht im Vertrag verankern möchte (was Sie ablehnen), kann man sich auf Recht und Gerichte eines dritten Staats (in der Praxis häufig: Schweiz) einigen. Wie erwähnt: achten Sie auf kollidierende AGB-Klauseln und führen Sie in einem solchen Fall eine Individualvereinbarung herbei!


Eine weitere, sehr flexible und auch in Corona-Zeiten voll funktionsfähige Alternative ist die bereits erwähnte Schiedsgerichtsbarkeit, bei der es möglich ist, beste Experten für den jeweiligen Fall als Schiedsrichter auszuwählen. International (gerade wenn Ihr Fall außereuropäische Staaten betrifft) sind Schiedsurteile oftmals leichter zu vollstrecken als staatliche Urteile. Es ist zudem ein falsches Gerücht, dass Schiedsgerichte IMMER teurer sind als staatliche Gerichte. Je nach Schiedsinstitution und Verfahrensgestaltung können die Kosten sogar niedriger liegen. Möglicherweise kann eine Mediations-Klausel ebenfalls sinnvoll sein: dann versucht ein in diesem Bereich erfahrener Vermittler im Streitfall gemeinsam mit den „Streithähnen“ eine einvernehmliche Lösung zu finden. Man sollte nie aus den Augen verlieren, dass es lukrativer sein kann, eine langjährige Geschäftsbeziehung zu retten als sie mit dem kurzfristigen Gewinn eines Rechtsstreits dauerhaft zu zerstören. Gute Richter und Schiedsrichter versuchen allerdings oftmals auch, zunächst die Parteien zu einem Vergleich zu bewegen. Viele Prozess- und Schiedsordnungen enthalten zwischenzeitlich entsprechende Bestimmungen, die einen Einigungsversuch vorschreiben, bevor in das streitige Verfahren eingetreten wird.


GSL Consulting GmbH hilft Ihnen gerne bei konkreten Anfragen.


Viel Erfolg bei allen Ihren Verträgen!!!


Thorsten Vogl, Rechtsassessor Ist u.a. Mitglied des Vorstands der Ständigen Schweizerischen Schiedsgerichtsorganisation,

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