Thorsten Vogl

16. Aug. 20192 Min.

Schwundklauseln in der Lagerlogistik

Aktualisiert: 6. Jan. 2023

BGH, Urteil vom 20.09.2018,
 
Aktenzeichen I ZR 146/17.

Der Bundesgerichtshof hielt in seiner Entscheidung fest, dass eine Schwundklausel (hier: keine Haftung bei einem jährlichen Schwund von 0,4% des Warenwerts) auszulegen sei: wegen § 276 Abs. 3 BGB, einer zwingenden gesetzlichen Regelung, nach der dem Schuldner die Haftung für Vorsatz nicht im Voraus erlassen werden kann, ist eine Schwundklausel bei unklarem Wortlaut dahingehend auszulegen, dass sie keine Fälle vorsätzlichen Verhaltens erfasst. Der BGH hält zudem fest, dass eine von ihrem Wortlaut her unklare, weil auch auf vorsätzliches Verhalten beziehbare Schwundklausel nicht etwa unwirksam und nichtig ist, sondern wie zuvor beschrieben durch Auslegung auf Fälle nicht vorsätzlichen Handelns zu reduzieren ist, da nicht angenommen werden könne, die Parteien hätten eine gegen die zwingende gesetzliche Regelung treffende Vereinbarung treffen wollen.

Die BGH-Entscheidung hat zur Folge, dass eine Schwundklausel dem Lagerhalter dann
 
keinen Schutz gewährt, wenn ihm vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden
 
kann. Hierbei kommt der Grundsatz der sekundären Darlegungslast zum Tragen:
 
grundsätzlich muss derjenige, der den Schaden behauptet, hierfür die Voraussetzungen
 
beweisen. Da indes die Vorgänge bei einem Transport bzw. innerhalb des Betriebs
 
für den Beweispflichtigen kaum zugänglich sind, trifft ihn die Pflicht, die
 
organisatorischen Massnahmen zum Schutz der Ware offenzulegen. Hat er in
 
ausreichendem Masse nachgewiesen, dass der Betrieb über hinlängliche
 
Sicherungsmassnahmen verfügt, trifft den Geschädigten die volle Beweislast für
 
das vorsätzliche Handeln des Lagerhalters.

Für die Praxis bedeutet die Entscheidung:

  1. Lagerhalter
     
    müssen damit rechnen, dass Kunden die Schwundklausel durch den Vortrag, es sei
     
    vorsätzlich gehandelt worden, etwa durch Unterlassen erforderlicher
     
    Sicherungsmassnahmen, auszuhebeln versuchen;

  2. in
     
    diesem Fall muss der Lagerhalter ggf. auch für weit zurückreichende Zeiträume
     
    eine sichere Organisation seines Lagers nachweisen können – es kommen also
     
    erhebliche Dokumentationspflichten, die er in eigenem Interesse peinlich genau
     
    beachten sollte, auf ihn zu.

Da in der Entscheidung von „Konsignationslager“ gesprochen wird, sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass solche Lager oftmals von dem künftigen Käufer unterhalten werden, der die Ware des Verkäufers einlagert. Bis zur Entnahme aus dem Lager bleibt die Ware Eigentum des Verkäufers. In solchen Fallgestaltungen wird das Lagern gerne als blosser Annex des Kaufes angesehen; Vertragsschwerpunkt bilden die kaufvertraglichen Regelungen. Dennoch muss den Parteien bewusst sein, dass es sich um einen typengemischten Vertrag handelt und deswegen, soweit die Lagerung der Waren betroffen ist, Lagerrecht zur Anwendung kommt.

Thorsten Vogl, Rechtsassessor

Die Entscheidung ist im Volltext aufrufbar über die Entscheidungsdatenbank des deutschen Bundesgerichtshof www.bundesgerichtshof.de / Entscheidungen)

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