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Haftung Binnenschifffahrt

Aktualisiert: 10. Jan. 2023

Tücken bei der Haftung im Rahmen der Binnenschifffahrt – die Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) vom 1. Juni 2017, Az. I ZR 29/16


Der BGH hatte einen aussergewöhnlichen Fall zu entscheiden: Das Kasko, also der neu gebaute Rumpf eines Tankschiffes sollte von Rumänien in die Niederlande überführt werden. Dies geschah, indem es längsseits im Verbund befestigt wurde. Während des Transports kam es zu einer Kollision des Kaskos mit einem entgegenkommenden Schiff. Der Versicherer nahm aus übergegangenem Recht daraufhin #Schiffseigner und Unternehmer auf #Schadenersatz in Höhe von 246.968,50 Euro in Anspruch. Zugesprochen bekam er indes nur 666,67 Sonderziehungsrechte, also am Stichtag 1. Juni 2017 einen Gegenwert in Höhe von 822,88 Euro.

Zum einen lehnte der BGH eine unbegrenzte Haftung ab. Zwar enthielt der #Frachtvertrag eine Klausel, die die Haftung für nautisches Fehlverhalten ausschloss, diese entfalte indes infolge des qualifizierten Verschuldens des Schiffsführers keine Wirkung – dieser habe es nämlich unterlassen, einen Ausguck auf dem höheren Kasko zu positionieren, der die durch das angekoppelte Kasko bestehende Sichteinschränkung hätte kompensieren können. Zu Recht sah der BGH in dieser Unterlassung ein Verhalten des Schiffsführers, das leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen wurde, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Der vertraglich vereinbarte Haftungsausschluss war deswegen wegen Art. 25 Abs. 2 lit. A CMNI unwirksam.


Der BGH kam so zu einer Haftung von Schiffseigner und Unternehmer. Allerdings bejahte das Gericht die Geltung des Haftungshöchstbetrags nach Art. 20 Abs. 1 CMNI, denn Frachtführer und ausführender Frachtführer verlören das Recht auf eine Haftungsbeschränkung nach Art. 21 Abs. 1 #CMNI nur dann, wenn sie selbst (!) den Schaden durch eine Handlung oder Unterlassung verursacht haben, die in der Absicht, einen solchen Schaden herbeizuführen, oder leichtfertig und in dem Bewusstsein begangen wurde, dass ein solcher Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde. Das qualifizierte Verschulden ihrer Schiffsbesatzung sei ihnen infolge des eindeutigen Gesetzeswortlauts daher nicht zuzurechnen. Da hinsichtlich der Auswahl der Schiffsbesatzung kein Hinweis auf ein Organisationsverschulden ersichtlich war und das nautische Fehlverhalten alleine der Schiffsführung anzulasten war, mussten die Haftungsgrenzen zugunsten der Frachtführer gelten.


Besonders zu Buche schlug der leider im Frachtbereich immer wieder zu beobachtende schlampige Umgang mit den Frachtpapieren: in diese war das Gewicht in Kilogramm des Kaskos nicht eingetragen worden – dabei erfordert die Möglichkeit, Schadenersatz in Höhe von 2 Sonderziehungsrechten je kg Fracht („Kilogramm-Alternative“) nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Art. 20 Abs. 1 CMNI, dass das Frachtgewicht in der #Frachturkunde erwähnt wird. Der BGH handelt richtig, wenn er den eindeutigen Wortlaut als Auslegungsgrenze ansieht. Ebenso ist dem BGH darin zuzustimmen, dass es Sache des Auftraggebers ist, dem Frachtführer derartige Angaben mitzuteilen und nicht der Frachtführer als derjenige, der die Frachturkunde ausstellt, zur Ermittlung des Gewichts verpflichtet ist. Ebenso wenig ist, wie aus Art. 8 Abs. 1 CMNI in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 CMNI folgt, der Frachtführer verpflichtet, bei der Absenderin um Gewichtsangaben nachzusuchen. Die „Kilogramm-Alternative“, die zu einem bedeutend höheren Schadenersatzanspruch geführt hätte, schied deswegen aus, sodass infolge der Tatsache, dass das Kasko als eine Ladungseinheit anzusehen war, nur ein auf 666,67 #Sonderziehungsrechte begrenzter Schadenersatzanspruch bestand.


Aus diesem Ergebnis, das faktisch doch einen fast umfassenden #Haftungsausschluss zur Folge hatte, wird die Absenderin der Güter sicherlich gelernt haben, dass man sich vor Auftragsvergabe eines Transports auch als Absender Gedanken machen sollte, welche Angaben in den Transportpapieren stehen müssen und für welche Angaben man selbst verantwortlich ist, sonst bleibt man auf einem vielleicht sogar existenzbedrohenden Schaden sitzen, der bei Beachtung der klaren gesetzlichen Regeln zu vermeiden gewesen wäre.

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