Die neuen Ruhezeit-Regelungen: gut für die Fahrer, gefährlich für die Unternehmen!
Durch Art. 1 Abs. 6 lit. c VO (EU) 2020/1054 wurde Art. 8 Abs. 8 der VO (EG) Nr. 561/2006 dahingehend geändert, dass die regelmässigen wöchentlichen Ruhezeiten sowie Ruhezeiten über 45 Stunden nicht in einem Fahrzeug verbracht werden dürfen. Ausdrücklich schreibt die Verordnung a.a.O. vor: «Sie sind in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zu verbringen.». Damit wurde in Gesetzeskraft gegossen, was der EuGH in seinem Urteil vom 20.12.2017 - C‑102/16 - bereits 2017 entschieden hatte. In Deutschland bestand eine entsprechende Regelung schon seit dem 25. Mai 2017 in § 8a FPersG.
Gerne übersehen wird die haftungsrechtliche Komponente dieser Regelung: der Fahrer begibt sich zu der Unterkunft und das Fahrzeug bleibt unbewacht zurück. Vielleicht sattelt er dafür sogar den Auflieger ab. Und nun entdeckt „lichtscheues Gesindel“ das unbewachte Fahrzeug oder den „alleine gelassenen“ Auflieger; es kommt zum Frachtdiebstahl. Ein Phänomen, das ständig zunimmt. Wir hatten zu dieser Problematik bereits eine Tagung organisiert, s. Vogl, Tagungsbericht über die Frachtdiebstahlsproblematik, in: Strassenverkehr/Circulation routière 2016, Heft 3/2016, S. 59 – 64.
Je nach Sachverhaltskonstellation (das Fahrzeug oder der Auflieger stehen auf einem unbewachten Parkplatz!) wird, obwohl Fahrer und Unternehmen nur ihren gesetzlichen Pflichten nachkommen, dieses Verhalten als grobe Fahrlässigkeit gewertet werden und die unbeschränkte Haftung gem. Art. 29 CMR auslösen! Dem müssen Frachtführer begegnen, indem sie Transporte so planen, dass der Fahrer sie zu Ende führen kann, ohne dass Pausen notwendig werden, die zu einem Aufenthalt ausserhalb des Fahrzeugs zwingen. Oder es müssen Ersatzfahrer einspringen, gesondertes Personal zur Bewachung des Fahrzeugs verfügbar sein oder bewachte Parkplätze (mit freien Stellplätzen!) genutzt werden. Zudem sollte darauf geachtet werden, dass der Haftpflichtversicherungsvertrag auch Fälle grob fahrlässigen Verhaltens abdeckt, bei denen der Versicherungsnehmer positiv weiss oder wissen muss, dass das Fahrzeug während des Transports unbewacht abgestellt wird.
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