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Der Hanjin Konkurs-Haftung des Spediteurs

Aktualisiert: 10. Jan. 2023

Der Hanjin-Konkurs und die Haftung des Spediteurs


Wessen Waren mit #Hanjin transportiert wurden, sieht sich möglicherweise mit grossen Problemen konfrontiert: Häfen verweigern Hanjin-Schiffen die Einfahrt, da zu befürchten steht, dass die Hafengebühren nicht bezahlt werden; Gläubiger lassen Schiffe von Hanjin mit Arrest belegen, legen sie also buchstäblich „an die Kette“, um so ihre Ansprüche zu sichern – was Hanjin ihrerseits zu verhindern sucht indem sie Schiffe erst gar nicht mehr in Häfen einlaufen lässt. Derzeit sind Presseberichten zufolge weltweit Waren im Wert von ca. 14 Milliarden US-Dollar auf den Schiffen blockiert, darunter auch von Unternehmen aus der Schweiz. Soweit Container entladen wurden, kann die Freigabe davon abhängig gemacht werden, dass die auf dem Transportgut von dem Absender bzw. dem Empfänger bezahlt werden.


Dies führt zu teilweise erheblichen Verzögerungen beim Warentransport, die einerseits Warenschäden hervorrufen kann – man denke an verderbliche Waren, Kühl- oder Trockentransporte. Auch der Ausfall einer Lieferung im Rahmen der Supply Chain kann erhebliche Folgekosten verursachen. Saisonware erreicht die Läden zu spät. Auf viele Unternehmen weltweit kommen teilweise gewaltige Schadenssummen zu.

Wer einen Spediteur beauftragt hat, der den Transport organisiert und die jeweiligen Transportverträge in eigenem Namen abschliesst, fragt sich zu Recht, ob ihm dieser schadenersatzpflichtig ist bzw. ob er es akzeptieren muss, wenn dieser Kosten an ihn weitergibt, etwa Zahlungen, um die Freigabe von Containern zu erhalten.

Diese Frage ist auf der Basis des auf den Speditionsvertrag anwendbaren Rechts zu entscheiden.


Für die Schweiz gilt hiernach, dass der Spediteur in Bezug auf den Transport der Ware wie ein Frachtführer haftet, Art. 439 OR. Entstehen also infolge des Transports Schäden, haftet der Spediteur gleich einem Frachtführer. Über die Verweisungskette Art. 439 OR à Art. 447, 448 OR haftet er summenmässig unbegrenzt (wobei aber die vertragliche Regelung im Einzelfall zu beachten wäre). Soweit sich der Spediteur auf einen Haftungsausschluss beruft, etwa infolge Art.  447 OR („auf Umständen beruhe, die durch die Sorgfalt eines ordentlichen Frachtführers nicht abgewendet werden konnten“) oder einer ähnlich lautenden Vertragsklausel, so stellt sich die Frage, ob dem Spediteur grob fahrlässiges Handeln vorgeworfen werden kann. Immerhin war in der Presse bereits mehrfach über die prekäre Vermögenslage von Hanjin berichtet worden. Zudem dürfte einfliessen, dass ein Tochterunternehmen der Hanjin Shipping Co. Ltd. (die Senator Lines, eine deutsche Reederei), im Februar 2009 insolvenzreif war. Dia also eine finanzielle Schieflage nicht fernliegend war, käme in Betracht, von einem Auswahlverschulden des Spediteurs auszugehen – der Spediteur hätte von einer Beauftragung von Hanjin Abstand nehmen oder den Kunden über die Risiken wenigstens aufklären müssen. Infolgedessen könnte jedweder Haftungsausschluss und jedwede Haftungsbegrenzung obsolet sein. Andererseits leidet die gesamte Schifffahrtsbranche unter dem Preisdruck infolge massiver Überkapazitäten und hat Milliarden an Schulden aufgehäuft. Der Ausgang eines Gerichtsverfahrens wäre mithin sehr ungewiss.


Ggf. ist natürlich zu prüfen, inwieweit die Schäden im Rahmen der Transportversicherungspolicen abgedeckt sind.


Werden im Rahmen einer Fixkostenspedition dem Kunden Zusatzkosten weitergereicht, so stellt sich die Frage nach der Berechtigung solchen Handelns – je nach Einzelfall kann man zu dem Ergebnis kommen, dass diese Zusatzkosten das kommerzielle Risiko des Spediteurs darstellen und deswegen von dem Kunden nicht bezahlt werden müssen. Auch diesbezüglich ist vorab zu prüfen, welches Recht auf den Vertrag Anwendung findet und wie die vertraglichen Vereinbarungen lauten. Hält der Spediteur dann, um den Kunden zur Zahlung zu bewegen, Waren zurück, wäre dies ein unzulässiges Verhalten. Da der Kunde es im Zweifel eilig hat, seine Waren zu erhalten, wird er zähneknirrschend zahlen, sollte dies aber unter ausdrücklicher Erklärung eines Vorbehalts tun und dann, notfalls auf dem Gerichtsweg, die bezahlten Beträge zurückfordern. Zu denken wäre ferner an eine Hinterlegung, um einen späteren Zugriff auf das Geld abzusichern.


Hat Hanjin Leistungen erbracht und stellt hierfür Rechnungen aus, so muss der Zahlungspflichtige nach Eröffnung des Konkursverfahrens sehr genau prüfen, an wen er zahlt. Zwar läuft das Konkursverfahren nach koreanischem Recht, zu dessen Regelungen hier keine Kenntnis besteht, jedoch kommt es in Konkursfällen zumeist nicht zu einer Leistungsbefreiung, wenn an den alten Schuldner bezahlt wird, der nicht mehr verfügungsbefugt über sein Vermögen ist. In der Regel sind Zahlungen an den Konkursverwalter zu leisten. Wer dies übersieht, läuft in Gefahr, dass er hinterher nochmals an den richtigen Gläubiger zahlen muss. Ein Spediteur, der dies übersieht, macht sich seinem Kunden schadenersatzpflichtig.


Thorsten Vogl, Rechtsassessor


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